Pilger-Oratorium

Pilger-Oratorium
Das 1457 erbaute Pilger-Oratorium war ein wichtiger Rast- und Gebetsort auf dem Weg, der die bedeutungsvollen franziskanischen Basiliken von Assisi, San Francesco und Santa Chiara miteinander verband. Sein Bau zeugt von der fortschreitenden Zunahme der Wallfahrten nach Assisi im 15. Jh. Die Pilger, die hier vorbeikamen, konnten die Funktion des Gebäudes leicht an den Symbolen erkennen, die die Tür schmückten. Auf der rechten Seite das franziskanische Tau, auf der linken Seite ein Pilgerstab mit Tasche; in der Mitte des Torbogens, in Stein gemeißelt, das Kreuz des Johanniterordens. Ein prächtiges 1468 von Matteo da Gualdo gemaltes Fresko, das einen Pilger darstellt, der von dem im Zentrum sitzenden und mit jubelnden Engeln umgebenen Erlöser gesegnet wird, beherrscht di Fassade. Das Antlitz Christi, das noch gut erkennbar ist, vermittelte eine Aura von strenger Zuversicht, im Einklang mit der Schrift des Buches, das er in der Hand hält: „EGO SUM VERITAS“. Auf der linken Seite der heilige Jakob mit seinem charakteristischen Wanderstab und rechts der hl. Abt Antonius. In der kleinen Kirche befindet sich ein Fresko des Wunders des Jakobspilgers: Eine bekannte Episode, die in der Hagiographie des Pilgers ausführlich beschrieben wird und auch im Rest Europas mittels sakraler Theateraufführungen und volkstümlicher Balladen große Bekanntheit erlangt hat.
Die Geschichte erzählt von einem nicht gelungenen Versuch seitens der Tochter eines Gastwirts, einen jungen Pilger zu verführen, der sich mit seinen Eltern auf einer Wallfahrt nach Santiago de Compostela befand. Als Racheakt für die Zurückweisung versteckte das junge Mädchen heimlich einen silbernen Becher in der Satteltasche des Pilgers, und zwar so, dass der „Diebstahl“ daraufhin entdeckt wurde. Der junge Mann wurde des Diebstahls beschuldigt und zum Tod durch den Strang verurteilt. Auf dem Rückweg von der Wallfahrt fanden die Eltern den Körper des Sohnes noch am Galgen hängen und betrauerten ihn in der fälschlichen Annahme, dass er tot wäre. Doch der Junge beruhigte seine Eltern und teilte ihnen mit, dass er noch am Leben sei und dass der hl. Jakob ihn unterstützte. Die Eltern beeilten sich, dem Richter die Notiz zu überbringen, doch dieser, der sich in der Vorbereitung eines Banketts befand, weigerte sich, ihnen Glauben zu schenken und behauptete, der Schuldige wäre tot, so tot wie die Hähnchen auf dem Tisch. Schlagartig wurden die Hähnchen mit einem klangvollen Krähen wieder lebendig und so wurde der Junge umgehend seinen Eltern übergeben.
Via San Francesco, 13
06081 Assisi (PG)